Was hat Bindungstrauma mit deinen Beziehungen zu tun?
Gründe dafür, dass du dich in Beziehungen vielleicht nicht entspannen, keine feste Beziehung eingehen kannst oder dich immer wieder emotional abhängig machst, liegen oft in deiner Kindheit und sind meist nicht bewusst. Warum das so ist, möchte ich dir in diesem Beitrag erklären. Als Babys sind wir auf Bindung ausgerichtet, denn unser Überleben hängt davon ab. Unser Nervensystem ist noch nicht ausgereift, allein können wir noch nicht überleben. Wir sind von den Bezugspersonen abhängig. Wir sind stark auf Bindung geprägt und verhalten uns immer bindungsfördernd, denn wir brauchen von unserer Bezugsperson Co-Regulation. Selbstregulation lernen wir erst später. Als Babys erleben wir Stresssituationen, wenn wir Hunger haben, frieren oder beispielsweise Schmerzen verspüren. Unsere Bedürfnisse, auch die nach Nähe und Verbundenheit, können nur von unseren Bezugspersonen gestillt werden. Mutter oder Vater co-regulieren uns bzw. unser Nervensystem. So kommen wir aus dem Stress heraus. Erfolgt keine Beruhigung oder Bedürfniserfüllung und damit keine Co-Regulation, bleiben wir als Babys in diesem Hochstress stecken. Das hat weitreichende Folgen.
Wie wäre es denn optimal?
Damit eine Mutter das Baby gut regulieren kann, muss sie selbst gut reguliert sein und sich in ihr Baby einfühlen können. So entsteht durch feinfühlige Kommunikation eine vertrauensvolle gesunde Bindung. Dies bildet die Basis für unsere späteres Leben. Die Welt wird dann als sicherer Ort empfunden. Wir fühlen uns geborgen und sind sicher gebunden. Wir können so als Kinder Autonomie entwickeln, die Welt entdecken, weil wir wissen (im tiefsten Inneren fühlen), dass wir sicher sind. Wir wurden ja sicher gebunden. Ab einem gewissen Alter entwickelt sich neben dem Bindungsbedürfnis auch ein Autonomiebedürfnis. Wenn die Bindung sicher ist, dann entsteht aus diesen 2 gegensätzlichen Bedürfnissen eine positive Spannung. So wäre der optimale Entwicklungsverlauf auf Bindungsebene.
Welche Folgen hat eine unsichere Bindung?
Ist die Bindung nicht sicher, dann vermeiden wir es als Kind eher die Welt zu erkunden, denn dies ist mit Gefahr verbunden, fühlt sich risikoreich an. Ein gesundes Autonomiebedürfnis kann unter diesen Umständen nicht entstehen. Autonomie macht Angst und fühlt sich an wie Bindungsabbruch. Exploration wird vermieden oder kann nur unter großem Stress stattfinden.
Für ein gesundes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen ist eine gesunde Mischung aus beiden Strebungen wichtig. Dies wiederum ist essenziell für eine harmonische, ausgewogene, nicht abhängige Bindung bzw. Beziehung.
Ein Kind musss folgende Grundbedürfnisse erfüllt bekommen, damit sich ein gesundes Selbstwertgefühl entwickeln kann: Körperkontakt, Berührung, feinfühlige Kommunikation, Halt, Beruhigung, Anregung und Erregung für das Nervensystem, Zugewandtheit etc. Stress ist dann nicht beängstigend, denn das Kind weiß ja, es kommt wieder in Sicherheit, wird co-reguliert. Werden diese Grundbedürfnisse nicht erfüllt, da gerät das Baby oder Kleinkind in Hochstress und in darauffolgende Überlebensstrategien. Das kann geschehen, weil der Elternteil selbst nicht reguliert ist, er das Kind alleine lässt, es nicht tröstet, es schreien oder hungern lässt, keine liebevolle Ansprache geschieht, es nicht beruhigt, sondern aggressiv reagiert, das Kind vernachlässigt oder auf es bedrohlich wirkt. Ein Baby schreien zu lassen, kann eine Stressdynamik in dessen Nervensystem hinterlassen. Dies ist potentiell traumatisch. Traumatisierungen können für die Eltern unbemerkt und unwissentlich geschehen. Ebenso wie das Weggenommen werden nach der Geburt, Geburtstraumen, Tod, Trennung, Krankheit oder Sucht der Eltern oder Getrenntsein durch Krankheit. Das alles hat Auswirkungen darauf, wie das Kind Bindung erlebt und beeinflusst dessen Sicherheitserleben ganz grundlegend. Die Welt wird nicht mehr als sicherer Ort erlebt, Bindung wird nicht als sicher erlebt. Bindung ist eher mit Stress verknüpft, wenn keine co-regulation erfolgte, sich keine sichere Bindung entwickeln konnte.
Traumatisierungen die auf Bindungsebene geschehen bzw. frühe Prägungen die traumatisierend gewirkt haben, auch die die unbemerkt geschehen sind, nennt man demnach Bindungstrauma. Bindungstrauma wirkt sich direkt auf unsere Fähigkeit uns selbst regulieren zu können aus. Je besser wir co-reguliert wurden, desto besser haben wir gelernt uns selbst zu regulieren. Desto besser können wir uns beruhigen, aus Stress herauskommen, resilient werden, eine gute Stresstoleranz entwickeln (d.h. Stress gut tolerieren zu können).
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Wie beinflusst dein Nervensystem deinen Bindungsstil?
Je geringer deine Stresstoleranz ist, desto mehr bist du auf denen Partner oder andere enge Menschen angewiesen, die dich co-regulieren. Daher zieht es dich eher in Beziehungen in denen du dich emotional abhängig machst oder du meidest aus Angst von vornherein enge Beziehungen und wirst zum einsamen Wolf oder Beziehungs-Hopper. Je schlechter du selbst reguliert bist, desto mehr Kompensationsstrategien brauchst du im Leben. Diese dienen dann als Ersatz für eine gesunde bzw. die fehlende Regulation. Kompensationsstrategien können z.B. Symptome sein, Süchte, Workaholic, Ablenkung, oder bestimmte andere Verhaltensmuster. Diese sollen das Nervensystem beruhigen und Stress regulieren. Bindungstraumatisierungen führen oft auch zu ambivalenten Gefühlen in Bindungen.
Wie kann Selbstregulation dir helfen?
Selbstregulation dient also deiner Bindungsfähigkeit. Du kannst die Defizite von damals wieder verändern. Du lernst es entspannte Beziehungen zu führen oder stressresilienter zu werden. Was kannst du tun? Nutze die Unterstützung einer traumasensiblen Begleitung und wende dich dir liebevoll zu. Erhöhe das Bewusstsein dafür, wie es dir in Stressmomenten geht. Frage dich dann ganz direkt: „Wie geht es mir“? Finde Stress-Trigger heraus, im Alltag und in engen Beziehungen. Erhöhe das Bewusstsein für deine Trigger. An welche Situationen erinnern dich die Trigger? Mach dir bewusst, dass diese Trigger lange zurück liegen.
Zusammengefasst:
1. Werde dir in Stresssituationen deiner Selbst und deiner Reaktionen bewusst
2. Kristallisiere deine Trigger heraus
3. Erforsche die Situation von damals, die hinter dem Trigger liegt.
So kommst du immer häufiger in eine Beobachterposition bzw. auf die Metaebene. Stück für Stück lernst du dich zu regulieren und deine Symptome oder Muster können abnehmen.